Dresden, 29. Juni 2022 - Mindestens 17 Milliarden Euro fehlen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) konservativen Schätzungen zu Folge im kommenden Jahr. Um das Rekorddefizit auszugleichen hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gestern einen Maßnahmenmix aus einem Steuerzuschuss von 2 Milliarden Euro, einem Bundesdarlehen von 1 Milliarde Euro, einem erneuten Griff in die Finanzreserven der Kassen und des Gesundheitsfonds sowie einem Solidarbeitrag der Pharmabranche präsentiert. Außerdem sollen drei Milliarden Euro durch mehr Effizienz eingespart und der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz im Jahr 2023 um 0,3 Prozentpunkte erhöht werden.
„Wir bedauern, dass die Beitragszahler der GKV, Versicherte und Arbeitgeber, gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten besonders belastet werden“, sagt Frank Hippler, Vorstandsvorsitzender der IKK classic. „Dagegen sind andere sinnvolle Maßnahmen, die auch im Koalitionsvertrag enthalten sind, nicht in den Entwurf zum GKV-Finanzierungsgesetz eingeflossen.“
So hatte die IKK classic wiederholt gefordert, die Kassenbeiträge für ALG II-Empfänger endlich bedarfsgerecht zu finanzieren und dadurch die GKV um 10 bis 11 Milliarden Euro pro Jahr zu entlasten.
Auch die schon mehrfach angekündigte verminderte Mehrwertsteuer auf Arzneimittel hätte ein Einsparpotenzial von rund 5 Milliarden Euro gehabt und damit einen ähnlichen Umfang, wie die nun vom Bundesgesundheitsminister angekündigte Beitragssatzerhöhung. „Wir können nicht nachvollziehen, dass ausgerechnet diese für alle Beteiligten fairen Vorschläge zunächst nicht berücksichtigt wurden. Und auch die jährliche Dynamisierung des Steuerzuschusses fehlt im aktuellen Gesetzentwurf. Dabei ist schon jetzt absehbar, dass die GKV auch in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen stehen wird“, so IKK-Chef Hippler.
Umso wichtiger sei es, die notwendigen Strukturanpassungen jetzt zügig anzugehen, um die GKV auch mittel- und langfristig zu stabilisieren. „Wir alle wissen, dass die großen Leistungsbereiche, die ambulante Versorgung, die Arzneimittel und Medizinprodukte und vor allem der Krankenhaussektor grundlegend reformiert werden müssen. Nur so können wir der Bevölkerung eine hochwertige Gesundheitsversorgung flächendeckend zur Verfügung stellen und diese auch solide finanzieren“, so Hippler.
Dabei bietet aus Sicht der IKK classic die Digitalisierung des Gesundheitswesens erhebliche Potenziale. Ein konsequenter Ausbau kann dazu beitragen, die Versorgungsqualität für die Versicherten zu verbessern und gleichzeitig ökonomischer zu gestalten. Angesichts der demographischen Entwicklung müsse man auch darüber nachdenken, ob die hauptsächlich lohnbasierte Finanzierung der GKV auf die Dauer tragfähig sei. „Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie haben die Krankenkassen immer mehr Kosten für gesamtgesellschaftliche Aufgaben übernommen, die eigentlich von der Allgemeinheit, also durch Steuern, zu finanzieren sind. Auch das muss sich in Zukunft ändern“, so Hippler.