Fress-Attacken: Kinder und Erwachsene leiden

IKK Südwest stellt Anstieg von Essstörungen fest

Saarbrücken, 4. Januar 2018 - Pathologisches Essverhalten in Form von Magersucht, Ess-Brech-Sucht oder unverhältnismäßigen Ess-Anfällen muss heute deutlich öfter ärztlich behandelt werden als noch vor sechs Jahren, die Fallzahlen haben sich enorm erhöht. Die IKK Südwest verzeichnet insbesondere bei den Krankheitsbildern Bulimie und Binge-Eating-Störung alarmierende Steigerungen – sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Die IKK-Ernährungsexpertin sagt: „Der massive Anstieg beunruhigt uns". Sie spricht von einer tatsächlichen Sucht, die auch als solche behandelt werden muss."

Immer mehr Menschen müssen aufgrund von gestörtem Essverhalten ärztlich versorgt werden. Das stellt die IKK Südwest für ihr Verbreitungsgebiet Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland fest. Seit 2010 hat sich die Fallzahl von Essstörungen insgesamt um 15 % erhöht. Die größten Anteile daran haben die Erkrankungen Anorexie (Magersucht), Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und Binge-Eating-Störung (Fress-Attacken). Genauere Beschreibungen zu den verschiedenen Krankheitsbildern finden Sie hier.

Alarmierend ist der Anstieg bei Kindern, hier hat die IKK Südwest ein deutliches Plus bei den Diagnosen Bulimie (+33%) und Binge-Eating-Störung (+13%) ermittelt. Saarländische Kinder sind dabei von Bulimie zweieinhalb Mal so oft betroffen wie noch vor sechs Jahren, das entspricht einem Plus von 138 % (2010: 13 Fälle, 2016: 31 Fälle). In Hessen beträgt die Steigerung 81 % (2010: 12, 2016: 19), in Rheinland-Pfalz bleibt die Fallzahl fast konstant (2010: 42, 2016 43). In nahezu allen Fällen sind es junge Mädchen, die im Schnitt 15 Jahre alt sind.

In Rheinland-Pfalz sind bei Kindern offenbar regelmäßige Ess-Anfälle auf dem Vor-marsch: Hier hat sich die Zahl von Binge-Eating-Fällen seit 2010 um das Dreifache (+ 188 %) gesteigert (2010: 9, 2016: 26), während sich die Zahlen in Hessen (-33%; 2010: 9, 2016: 6) und im Saarland (-87%; 2010: 8, 2016: 1) kräftig reduziert haben.

Deutlich zugelegt insgesamt haben auch die Fress-Attacken im Erwachsenenalter. Hier werden knapp 50 % mehr Fälle registriert als noch vor sechs Jahren. Besonders deutlich wird dies in Rheinland-Pfalz, wo die Steigerung 82 % beträgt (2010:194, 2016: 354). Im Saarland sind es 59 % (2010: 39, 2016: 62), in Hessen sogar minus 25 % (2010: 113, 2016: 84). Gut drei Viertel aller von Fress-Attacken Geplagten sind Frauen Anfang 40. Aber auch der krankhafte Verzicht auf Essen zeigt einen besorgniserregenden Anstieg: Insgesamt leiden 22 % mehr Versicherte unter Anorexie als 2010, besonders auffällig ist die Veränderung im Saarland (+ 50%) und in Hessen (+35%), während in Rheinland-Pfalz die Fallzahl konstant bleibt (481 Fälle in 2016).

„Der massive Anstieg der Erkrankungen bei Kindern und Erwachsenen beunruhigt uns", sagt Marie-Louise Conen, Gesundheitsreferentin der IKK Südwest, „in diesem Bereich gibt es aber noch erheblichen Forschungsbedarf. Ursachen sind sicherlich Stress, aber auch das Überangebot an billigen Suchtmitteln wie Fertignahrung und stark zuckerhaltige Lebensmittel sowie der Einfluss der Medien bezüglich Körperbild".

Weiter weist sie darauf hin, dass es bei den untersuchten Krankheiten um ein tatsächliches Suchtverhalten geht, das auch so behandelt werden sollte: „Man darf das nicht mit Gier oder Verlangen verwechseln." Betroffene würden oft stigmatisiert und hätten wenige Chancen auf soziale Unterstützung, beklagt die IKK-Expertin. In Fachkreisen werde seit ein paar Jahren über den Zusammenhang „Essen und Sucht" (und auch „Nicht-Essen und Sucht") diskutiert. Das bedeute auch, dass eine gewisse Veranlagung zu einer Suchterkrankung vorliegen muss: „Übergewicht aufgrund von „Binge Eating" hat also nichts mit normalem Übergewicht aufgrund von Bewegungsmangel, falschem Essen und Stress zu tun. Man sollte aber auch nicht davon ausgehen, dass jede 14-Jährige, die eine Diät macht, gleich magersüchtig wird." Das A und O seien ein behutsamer Umgang miteinander und ein wachsames Auge: „Menschen, die unter einer dieser Krankheit leiden, brauchen ärztliche und therapeutische Betreuung."