Saarbrücken, 27.4.2018 - Die gesetzlichen Krankenkassen sitzen auf einem Schuldenberg: 6,3 Milliarden Euro Beitragsschulden stehen aus – theoretisch. Die sogenannte „Obligatorische Anschlussversicherung“ von Menschen, die unbekannt verzogen sind, ist ein Teil des Problems. Der Ende letzter Woche veröffentlichte Referentenentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geht das Problem an.
Die seit 2013 geltende Obligatorische Anschlussversicherung (OAV) hat einen guten Grund: Jeder Mensch in Deutschland soll einen Krankenversicherungsschutz haben. Um diese Regelung umzusetzen, darf eine gesetzliche Krankenversicherung keine Mitgliedschaft beenden – auch dann nicht, wenn Beiträge nicht gezahlt werden oder der Versicherte sich nicht meldet. Diese gut gemeinte Regelung hat allerdings auch Schattenseiten: Sie trägt die Hauptschuld am massiven Anstieg der Beitragsrückstände in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Denn in den Versicherungsbeständen der Krankenkassen schlummern vermutlich viele Karteileichen – für die die Kasse jedoch Geld aus dem Gesundheitsfonds bekommt. So legt es das Papier des Bundesgesundheitsministers dar.
Auffälligkeitsprüfungen deuten daraufhin, dass einige Krankenkassen aus dieser Regelung ein gutes Geschäft gemacht haben könnten. Etwa bei Saisonarbeitern, die zwar nur für kurze Zeit beispielsweise als Erntehelfer tätig waren, aber anschließend weiter im Bestand der Krankenkasse geführt worden sind. Und das, obwohl nahe liegt, dass diese Personen längst wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt sind. Trotzdem konnten die Kassen weiter die monatlichen Pauschalen aus dem Gesundheitsfonds kassieren.
Zwar sind die Krankenkassen verpflichtet zu überprüfen, ob sich ihre Mitglieder dauerhaft in Deutschland aufhalten, doch wie genau die Überprüfung aussieht und wann sie erfolgen muss, war bislang nicht gesetzlich geregelt. Dementsprechend begrüßt die IKK Südwest den Vorstoß des Bundesgesundheitsministers, eine freiwillige Versicherung zukünftig nur noch dann zuzulassen, wenn der Aufenthaltsort des Versicherten geklärt ist: „Es ist schon auffällig, wie stark die gemeldeten Mitgliederzahlen der Krankenversicherung zuletzt gestiegen sind“, sagt Roland Engehausen, Vorstand der IKK Südwest. „Phantom-Versicherte schädigen die ohnehin wacklige Balance im reformbedürftigen Morbi-RSA. Die geplante Gesetzesänderung geht in die richtige Richtung und es ist zu vermuten, dass sich ein bedeutender Teil der Beitragsschulden als reine Luftbuchungen bei einigen Kassen erweist.“
Um dieses Problem anzugehen, sollen die Krankenkassen kurzfristig ihre Mitgliederbestände um die „passiven Mitglieder“ bereinigen. Dies ist bei allen Krankenkassen mit einem enormen Aufwand verbunden, der aber unabdingbar ist. Bereits erhaltene Gesundheitsfonds-Zuweisungen für Phantom-Versicherte sollen rückwirkend bis 2013 zurückgezahlt werden. „Ein wichtiger erster Schritt für das finanzielle Gleichgewicht des Gesundheitsfonds“, erklärt Thomas Lang, Leiter Finanzen bei der IKK Südwest. „Als zweiter Schritt ist außerdem eine ebenso konsequente Überprüfung der Manipulationsvorwürfe bei den Gesundheitsfonds-Zuweisungen aufgrund gemeldeter Krankheitsdiagnosen erforderlich.“