Berlin, 1. September 2021 - Das deutsche Gesundheitssystem gehört zu den versorgungsstärksten Systemen der Welt. Das hat sich gerade während der Corona-Pandemie gezeigt. Doch hat das alles seinen Preis: In der letzten Legislaturperiode wurden von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) viele Ausgaben zugunsten der Versorgungsverbesserung geschultert. Zudem haben die Kassen in den letzten anderthalb Jahren aufgrund der Pandemie etliche zusätzliche Aufgaben finanziert. Dauerhaft ist die Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben durch die Beitragszahler alleine nicht leistbar. Zur nachhaltigen Sicherstellung ihrer Aufgaben braucht die GKV jetzt mehr denn je finanzielle Stabilität und Planungssicherheit.
„Bislang konnte ein sprunghafter Anstieg der Zusatzbeitragssätze nur durch den umstrittenen Vermögensabbau bei den Kassen sowie einer ersten zusätzlichen Finanzspritze verhindert werden. Die Vermögen der Krankenkassen sind nun jedoch aufgebraucht und für 2022 wird von den Kassen bereits jetzt ein weiterer Zuschussbedarf von rund sieben Milliarden Euro gesehen. Das vom Bundesgesundheitsminister Spahn heute vorgeschlagene Verfahren, erst auf Basis des Schätzerkreises im Oktober, also nach der Bundestagswahl, die Höhe des Bundeszuschusses festzulegen, lässt die GKV in der Ungewissheit stehen. Dabei wären konkrete und verlässliche Finanzzusagen wichtig. Dass der Minister nun von dem vorab festgelegten Weg abweicht, ist äußerst enttäuschend, entlässt die Politik aber nicht aus ihrer Verantwortung“, erklärt der IKK e.V.-Vorstandsvorsitzende Hans Peter Wollseifer.
Mittelfristig sehen die Innungskrankenkassen darüber hinaus aber weiteren, grundsätzlichen Handlungsbedarf: „Die Innungskrankenkassen stehen zu ihrer Verantwortung. Doch kann die Finanzverantwortung für die vielen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben nicht allein von der GKV getragen wird“, mahnt Hans-Jürgen Müller, IKK e.V.-Vorstandsvorsitzender. „In der Vergangenheit haben sich Bund, Länder und Kommunen nach und nach aus ihrer Finanzierungsverantwortung herausgezogen. Dies ist nicht länger hinnehmbar. Die Lasten müssen fair verteilt werden und auch die Leistungserbringer müssen sich ihrer Finanzverantwortung stellen.“ Müller denkt dabei an die ausbleibende Investitionsfinanzierung im stationären Bereich, die Finanzierung von Innovationen oder kostendeckende Beiträge für ALG-II-Empfänger.
„Ein Weg zur Finanzstabilität ist aus unserer Sicht die Abkehr vom alleinigen Lohnkostenmodell. Sie ermöglicht die Erschließung weiterer Finanzierungsquellen und würde die lohnintensiven kleinen und mittelgroßen Betriebe spürbar entlasten“, erklärt Wollseifer.
Wollseifer und Müller rufen die Politik auf, rasch zu handeln: „Die Innungskrankenkassen setzen sich für eine umfassende, leistungsstarke Versorgung ihrer Versicherten ein. Um dies zu gewährleisten, muss die Finanzierung stabilisiert werden. Ein Sprung der Zusatzbeiträge muss dringend verhindert werden, damit die Beitragszahler, also die Arbeitgeber und Versicherten, nicht noch stärker belastet werden und der gesamtwirtschaftliche Aufschwung nicht gefährdet wird. Um Zeit für die Diskussion und Entscheidungen zu haben, muss jetzt erst einmal der Bundeszuschuss im Hinblick auf die Finanzlücke im nächsten Jahr erhöht werden.“
Hinweis für die Redaktionen:
Mehr Informationen und Hintergrundmaterial zum Themenbereich „Finanzierung“ finden Sie hier: www.ikkev.de/finanzierung. Das vollständige Positionspapier der Innungskrankenkassen zur Bundestagswahl 2021 kann hier abgerufen werden: www.ikkev.de/positionen-2021