„Schon mit dem sogenannten GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes (GKV-SVSG) wurde das Prinzip der Selbstverwaltung spürbar ausgehöhlt“, erklärt Hans-Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V. „Der Geist dieses Gesetzes durchdringt nun auch das TSVG: Die Selbstverwaltung wird deutlich in ihren Rechten beschnitten.“ So sollen beispielsweise die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden ein Mitberatungsrecht im Zulassungsverfahren der Ärzte erhalten und die Rechts- zur Fachaufsicht erweitert werden. Zudem greift der Gesetzgeber erneut in den originären Aufgabenbereich der Selbstverwaltung, den Abschluss der Vorstandsverträge, ein. „Dabei geht es uns an dieser Stelle nicht um die Frage der Angemessenheit und Transparenz der Vergütung, sondern darum, wer für die Festlegung der Gehälter verantwortlich ist“, erläutert der Vorstandsvorsitzende. Besonders besorgt zeigt sich Müller über den letzte Woche bekanntgewordenen Änderungsantrag Nr. 28 zur Aufnahme weiterer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in den Leistungskatalog der GKV. Dieser Vorschlag mache den G-BA als normsetzendes Gremium überflüssig, stellt er fest und mahnt: „Damit wird eine essentielle Leitplanke für evidenzbasierte Medizin langfristig zum Nachteil der Versorgungssicherheit beseitigt!“
Des Weiteren befürchten die Innungskrankenkassen mit den Vorhaben des TSVG eine nachhaltige Kostenbelastung der Krankenkassenlandschaft. „Insbesondere die undifferenzierte Ausweitung der extrabudgetären Vergütung, etwa für die Behandlung im Rahmen der Akutsprechstunde oder die Vermittlung zu einer weiterführenden Behandlung, sehen wir kritisch“, sagt Hans Peter Wollseifer, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V. Diese Leistungen gehörten schließlich zum Standard des Sicherstellungsauftrags und seien mit der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung bereits abgedeckt. „Insgesamt haben wir starke Zweifel, ob mit den Mehrausgaben tatsächlich eine Versorgungsverbesserung verbunden ist“, macht Wollseifer deutlich. „Das geht dann in doppelter Weise zu Lasten der Beitragszahler, also der Versicherten und der Arbeitgeber!“
Beunruhigt sind die Innungskrankenkassen auch über die Art und Weise des Gesetzgebungsverfahrens. „Auch wenn sich Bundesgesundheitsminister Spahn bereits früher als ein Fan des Omnibusverfahrens gezeigt hat, das Vorgehen beim TSVG sucht seinesgleichen“, ergänzt IKK e.V.-Geschäftsführer Jürgen Hohnl. „Mit der Vielzahl von Einzelregelungen, die nichts mit dem Kern des Gesetzes zu tun haben, ist das Verfahren überfrachtet und unausgewogen.“ Während einige gute Regelungen, etwa die Einführung von Kodierrichtlinien, längst überfällig waren, haben zahlreiche unausgegorene Regelungen Eingang in den Gesetzentwurf gefunden oder sollen noch in Form von Änderungsanträgen in das Gesetz aufgenommen werden. Hohnl verweist hier auf die gänzliche Streichung der Möglichkeit zur Durchführung von Modellvorhaben nach Einführung der Blankoverordnung in die Regelversorgung und den geplanten stufenweisen Zugang der Versicherten zur psychotherapeutischen Versorgung.