Der IKK e.V. hat soeben das in der vergangenen Woche von der Mitgliederversammlung einstimmig verabschiedete Positionspapier für die zukünftige Gesundheitspolitik veröffentlicht. Mit dem Positionspapier entwirft der IKK e.V. seine Vision eines innovativen und zukunftssicheren Gesundheitssystems. Es beschreibt als Zielvorstellung, welche Voraussetzungen für eine auf Effizienz und Nachhaltigkeit fokussierte Gesundheitspolitik geschaffen werden müssen, skizziert die notwendigen Rahmenvoraussetzungen für eine nachhaltige und verantwortungs- und belastungsgerechte Finanzierung und stellt Kriterien zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung auf. Das Papier ist unter www.ikkev.de/bundestagswahl2025 abrufbar.
„Das deutsche Gesundheitswesen hat eine Fehlentwicklung durchlaufen, die es zu einem der teuersten Gesundheitssysteme in Europa bei vergleichsweise niedriger Lebenserwartung gemacht hat“, resümiert Hans-Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V. „Kernpunkt ist und bleibt die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – sie steht vor historisch hohen finanziellen Belastungen.“ Für 2025 geht der Schätzerkreis der GKV von einem Defizit von 13,8 Milliarden Euro aus. Das BMG hat den durchschnittlichen Zusatzbeitrag um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent erhöht. „Und damit sind die finanziellen Belastungen für die Versicherten und Arbeitgeber noch gar nicht abgedeckt, denn schon jetzt zeichnet sich ab, dass das Defizit höher ausfallen wird.“, kritisiert Müller und verweist auf die KV-45 Ergebnisse nach dem 3. Quartal 2024. „Die Ursache für die steigenden Ausgaben liegt in der verfehlten Reformpolitik der letzten Jahre. Wir fordern deshalb neue und erweiterte Finanzierungsgrundlagen sowie die Umsetzung von Strukturreformen in der anstehenden Legislatur.“
„Es braucht ein deutliches Umdenken. Das steigende Ausgabenniveau kann nicht weiterhin durch kontinuierlich steigende Zusatzbeiträge finanziert werden“, mahnt Hans Peter Wollseifer, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V. Die Politik müsse dem Gesundheitssystem eine auskömmliche und nachhaltige Finanzierungsgrundlage schaffen, damit sich die Solidargemeinschaft der Versicherten und Arbeitgeber auf die Stabilität der Beitragssätze verlassen könne. „Als Richtschnur für die Belastungsfähigkeit der Arbeitgeber gilt nach wie vor die Sozialgarantie mit der 40-Prozent-Marke. Damit auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Netto vom Brutto haben“, betont Wollseifer.
In dem Positionspapier fordert der IKK e.V., dass der Staat seiner Verantwortung gerecht wird und Lösungen finden muss, die die nachhaltige Finanzierung sicherstellen und die dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Geltung verschaffen. „Ziel muss es sein, dass wir ein solidarisches und insbesondere finanziell nachhaltiges Gesundheitswesen schaffen, damit eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung auch zukünftig sichergestellt werden kann“, resümieren die Vorstandsvorsitzenden.
Eine Stärkung der Strukturen der Sozialversicherung durch eine gute Gesundheitspolitik muss zur Entlastung der Versicherten sowie Betriebe im Handwerk und im Mittelstand führen. Neben Strukturreformen im stationären und ambulanten Bereich sind Maßnahmen zu ergreifen, die die Ausgabendynamik bremsen, ohne die Leistungen für Versicherte einzuschränken. Hierfür muss im Rahmen einer Vorschaltgesetzgebung die Dynamisierung des Bundeszuschusses und die verantwortungsgerechte Beteiligung des Bundes an der Versorgung der Bürgergeldempfangenden ebenso wie an der Finanzierung weiterer gesamtgesellschaftlicher Aufgaben umgesetzt werden. Bestehende Ausgabensteuerungsinstrumente wie die Wirtschaftlichkeitsprüfung müssen geschärft sowie ungenutzte Ausgabensteuerungsinstrumente wie Ausschreibungen für die Krankenkassen nutzbar gemacht werden. Zudem fordern die Innungskrankenkassen die Senkung der Mehrwertsteuer auf Arznei- und Hilfsmittel von neunzehn auf sieben Prozent.
Die haupt- und ehrenamtlichen Vertreter der Innungskrankenkassen wiederholen ihre Forderung nach einem solidarischen Ausgleich von lohnintensiven und weniger lohnintensiven Beschäftigungssektoren. Die Plattform- und Digitalwirtschaft hat sich an der Finanzierung der Solidargemeinschaft zu beteiligen. Schließlich sollte die neue Regierung über weitere zielführende Finanzierungsmodelle nachdenken, z. B. die Umwandlung von existierenden Lenkungssteuern auf schädliche Genussmittel (Alkohol, Tabak) in eine Abgabe zugunsten des Gesundheitsfonds. Des Weiteren soll bei der Weiterentwicklung der Vergütung der Leistungserbringer die Grundlohnsummenentwicklung wieder stärker berücksichtigt werden.
Die Innungskrankenkassen fordern im Sinne ihrer Versicherten eine qualitativ hochwertige Versorgung. Dazu müssen die Akteure des Gesundheitswesens stärker vernetzt und eine qualitätsgesicherte und leitlinienorientierte Steuerung, z. B. über ein Hausarzt-Modell, sichergestellt werden. Qualitätskriterien und -sicherungsverfahren müssen sektorenübergreifend vereinheitlicht werden. Die Chance der Digitalisierung und neuer Technologien sollten ebenso gefördert werden wie die Entbürokratisierung und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen. Des Weiteren müssen Primär- und Sekundärprävention in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Die Rolle der GKV und der Krankenkassen sind dahingehend neu zu denken, als diese vermehrt die Steuerung für die gesundheitliche Versorgung zu Gunsten ihrer Versicherten und Arbeitergeber übernehmen.
Schließlich müsse auch die Selbstverwaltung als verfassungsmäßiges, demokratisches Fundament der GKV gestärkt werden. „Wer die Selbstverwaltung untergräbt, bringt das komplette Sozialsystem ins Wanken“, geben die Vorstandsvorsitzenden zu Bedenken. „Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie sich auf das Prinzip der Selbstverwaltung besinnt und deren Verantwortung ausbaut. Die Selbstverwaltung benötigt Vertrauen, Handlungsfähigkeit und Planbarkeit, um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können“, erläutert Wollseifer. Müller ergänzt, dass dies in letzter Konsequenz auch bedeute, dass den Krankenkassen als Anwalt der Versicherten Klagerechte in Bezug auf Finanzierungszuständigkeiten eingeräumt werden müssen.
Mit diesen Forderungskatalog wollen die Innungskrankenkassen nun in einen intensiven Dialog mit der Politik gehen:
- Patientinnen und Patienten und Versicherte in den Fokus rücken
- Strukturelle Schwächen der Versorgung beheben
- Prävention und Gesundheitsförderung in allen Lebensbereichen denken
- Pflege solidarisch und finanzierbar gestalten
- Digitalisierung zielgerichtet vorantreiben
- Arzneimittelversorgung zukunftsfest machen
- Selbstverwaltung stärken, nicht länger schwächen
- Finanzierungsbasis verbreitern – Staat nicht aus der Verantwortung entlassen
- Wettbewerbsbedingungen fair ausgestalten
- Entbürokratisierung vorantreiben
- Einsatz für Nachhaltigkeit